Gertraud Stadler

Puppendoktorin

München


Persönliche Notizen von Eva Leopoldi

 

Besuch in der Puppenstube in der Luisenstraße in München. Die Besitzerin, Gertrud Stadler, verkauft dort Puppen, Teddybären, Marionetten, ist Puppendoktorin, Puppendesignerin und wunderbare Geschichtenerzählerin und das seit 37 Jahren.

 

Leider konnte sie unsere toten Puppen nicht wieder zum Leben erwecken, aber wir durften Fotos machen, wie sie andere Puppen restauriert.

 

Dieser Beruf ist kein Ausbildungsberuf im herkömmlichen Sinn. Jede Fertigkeit hat sich die sympathische Frau im Laufe von Jahrzehnten selber angeeignet. Handwerkliches Können ist Grundvoraussetzung, dazu eine Riesenportion Erfindungsreichtum, Flexibilität und Geduld.

 

„Kein Mensch geht unglücklich aus meinem Laden hinaus!“ sagt Frau Stadler selbstbewusst.

Sie restauriert abgelutschte, plattgelegene Teddybären, Stofftiere aller Art und gibt alten, wunderschönen Puppen wieder ein neues Outfit, das sich dadurch auszeichnet, dass die Puppen zwar neu sind, aber ihr altes Aussehen so weit wie möglich wiedererlangen. Dazu verbringt sie oft Stunden in Stoffgeschäften, um z.B. den passenden Pepita-Stoff o.ä. zu finden und verarbeiten zu können.

 

Als Puppendoktor ist auch psychologisches Einfühlungsvermögen von Nöten, damit die Menschen, die ihre Kuscheltiere oder Puppen zu ihr bringen und sich oft genug dafür schämen, dass sie so an diesen Mitbewohnern hängen, diese Scham ablegen.

Und oft kommen dann mit diesen Menschen und ihren „Patienten“ auch wunderbare Geschichten in die Puppenstube und genau das ist es auch, was Gertrud Stadler an ihrem Beruf so liebt.

 

Frau Stadler glaubt nicht an den Fortbestand ihres Berufes, aber ich glaube ganz fest daran, dass es immer Menschen geben wird, die ihr Herz an eine Puppe, einen Teddy, ein Eichhörnchen oder was auch immer verlieren und diese zum Puppendoktor bringen werden, wenn diese anfangen, sich „aufzulösen“....

 

Ein Blick in die Werkstatt



Für den Beruf des Puppendoktors haben wir Crime-Scenes mit einigen Puppen nachgestellt.

Das war ein Spaß! Leider konnte uns Frau Stadler dann aber unsere Puppen nicht mehr zum

Leben erwecken. Tot bleibt Tot...



Literarische Bearbeitung der Puppendoktorin:

Autor: Jürgen Heimlich

 

Die Puppe

 

Er hätte sich ganz gemütlich auf seinen Ruhestand vorbereiten wollen. 40 Jahre als Puppendoktor waren mehr als genug. Und eine Nachfolgerin hatte er mit seiner Tochter auch schon. Franziska agierte schon seit fünf Jahren als seine Assistentin und die Übergabe des Geschäftes war nur noch eine Frage von Tagen. Aber dann lief alles anders als geplant. Franz Windisch, der längstdienende Puppendoktor Europas, bekam ein Paket zugestellt. Es passierte an einem Sommertag, und er erledigte noch einige wichtige Reparaturen, ehe er das Paket aufschnürte. Seine Überraschung war groß, als er einer in Watte gelegten Puppe ansichtig wurde, die schöner war als alle anderen Puppen, mit denen er im Laufe seines Geschäftslebens zu tun gehabt hatte. Eine Stoffpuppe, gar nicht besonders groß, doch mit sehr menschlichen Zügen, einem golden glänzenden Kleidchen und zierlichen Schühchen wie aus einem Katalog der 1910´er Jahre. Er erwartete einen Brief, womit ihm der Absender instruierte, welche Reparaturarbeiten durchzuführen seien. Vielleicht auch einen Kostenvoranschlag. Die Puppe nämlich war ziemlich ramponiert: Der Körper an einigen Stellen aufgeplatzt, das Kleidchen wies einige Risse auf, und dann auch noch der Kopf etwas eingedrückt.

Doch er hatte die Rechnung ohne den Absender gemacht. Der beigelegte Brief sorgte dafür, dass er lange Nächte vor sich haben würde.

 

 

 

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"Kaputt!"
"Kaputt!"